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Prof. Stefan Enders

Professor für Fotografie

Portrait Stefan Enders

Stefan Enders hat ursprünglich an der Kunstakademie Düsseldorf Malerei studiert, bevor er sich der Fotografie zuwandte. Über 20 Jahre fotografierte er danach für internationale Magazine wie Stern, Der Spiegel, Merian oder auch den Rolling Stone.

Sein letztes großes fotografisches Projekt Weit weg von Brüssel wurde unter der Schirmherrschaft der EU europaweit in Ausstellungen gezeigt. Sowohl über seine eigene Arbeit als auch die Lehre an der Hochschule haben wir mit ihm gesprochen.

Weit weg von Brüssel

Erstmal vielen Dank für Ihre Zeit. Wir sitzen ja hier in Ihrem Büro, möchten Sie sich vielleicht erstmal kurz vorstellen?

Ja klar, gerne. Mein Name ist Stefan Enders, ich bin seit 2005 Professor für Fotografie hier an der Hochschule Mainz. Da es für die Fotografie hier bei uns nur eine Professur gibt, versuche ich in meiner Lehre ein breites Spektrum abzudecken: Von einem Reportage- und Editorial-Ansatz bis hin zu inszenierter Kunstfotografie. Wichtig ist es dabei jedoch, erst einmal die fotografischen Grundlagen zu vermitteln. In den weiterführenden Seminaren beschäftigen wir uns dann mit ganz unterschiedlichen Themen, Stilrichtungen und auch Techniken.

Sie waren ja auch vorher als Fotograf unterwegs, was hat Sie dazu bewegt in die Lehre zu gehen?

Normalerweise stellt sich diese Frage, also das Bewerben auf eine Professur, in einem Lebensabschnitt, wo man bereits lange berufliche Erfahrungen – und natürlich auch Lebenserfahrungen – gesammelt hat. Ich habe mich damals gefragt, ob ich nicht noch einmal etwas ganz anderes probieren möchte – nach über 20 Jahren in der Fotografie und den Medien.

Nach den Jahren hier an der Hochschule und den Erfahrungen, die Sie weitergegeben haben durch die Projekte, die Sie geleitet haben, welche positiven Ereignisse sind Ihnen so im Kopf geblieben?

Wenn ich auf diese Jahre zurückschaue, bleiben auf jeden Fall die intensiven Arbeitsgruppen und Exkursionen ins Ausland im Gedächtnis. Nicht zuletzt auch, weil es dafür sehr viel positives Feedback von den Studenten gab. Auf diesen Exkursionen entsteht eine ganz besondere Art der Zusammenarbeit, einerseits zwischen den Lehrenden und den Studierenden und andererseits zwischen den Studierenden selbst. Diesen sozialen Austausch halte ich für ganz wichtig. Und dass man einmal ganz intensiv, über einen längeren Zeitraum an einem Projekt „dran bleibt“.

Diesen sozialen Austausch halte ich für ganz wichtig. Und dass man einmal ganz intensiv, über einen längeren Zeitraum an einem Projekt „dran bleibt“.

Sehen Sie denn Parallelen zwischen Ihrer Zeit als Professor und ihrer Ausbildung damals? Wo liegen da die Unterschiede?

So spontan fallen mir zwei Sachen ein. Einmal, dass in meiner Studentenzeit die Professoren weitaus weniger Projekte oder Ausstellungen mit uns gemacht haben. Wenn wir so etwas auf die Beine stellen wollten, mussten wir das selber machen. Ab und zu habe ich das Gefühl, dass unsere heutige Generation von Professoren und Dozenten vielleicht so sehr engagiert ist, dass wir zu viel machen – und man eigentlich wieder viel mehr in studentische Hand übergeben müsste. Die andere Sache ist die Verfügbarkeit des Internets. Natürlich haben auch wir uns damals von Büchern und Katalogen inspirieren lassen, aber heute habe ich das Gefühl, dass Studentinnen und Studenten oftmals als Erstes im Netz suchen, was man für Ideen zu einer bestimmten Themenstellung finden kann… Und auch viel zu viel Zeit damit verbringen.

»Weit weg von Bruessel«, hier: Denkmal zu Ehren der bulgarischen Luftwaffe. Omurtag, Bulgarien

Soll man das als Aufruf verstehen, seine eigenen Ideen selbstbewusster zu vertreten?

Unbedingt! Denn das Selbstvertrauen bekommt man eben erst durch das eigene Machen! Diese Art von ewiger Analyse und Recherche führt dazu, dass man eigentlich nur reproduziert, was es schon gibt.

Stichpunkt Internet und Verfügbarkeit, auch im Hinblick auf Ihre Arbeit: Wie wichtig ist Fotojournalismus im Jahre 2021, wo jeder Mensch die Nachrichten in seiner Hosentasche trägt?

Na ja: Wichtiger denn je! Wir sehen doch, was alles politisch passiert und passiert ist, – hier in Deutschland, in Europa und natürlich in Amerika. Mehr denn je ist Journalismus notwendig als Kontrollinstanz und Korrektiv. Wir brauchen unbedingt dieses Korrektiv eines professionellen und journalistisch-redaktionellen Filters. Auf den man sich verlassen kann hinsichtlich der Fakten! Und professioneller Fotojournalismus ist eben ein Teil davon. Er gehört dazu. Mehr denn je in einer Zeit, in der das mediale Bild immer bestimmender wird für unsere Informationswahrnehmung.

Weit weg von Brüssel. Hier: Seitdem ich die Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen konnte, müssen wir das ganze Wasser für zehn Personen in Flaschen vom nächsten Brunnen holen. Stefan Dimitrov, 59, Zvezdets, Bulgarien.

Wenn wir das auf die Fotografie anwenden, was sollte einen Menschen heute dazu bewegen, sich „Weit weg von Brüssel“ zu bewegen und durch die eigene Linse einen Blick zu geben?

Sie sagen es ja eigentlich schon: Einen „eigenen Blick“ auf die Welt zu finden. Der Unterschied ist doch, wenn ich nur medial wahrnehme, was in der Welt vor sich geht, habe ich eben immer nur ein medial vermitteltes Bild von der Welt. Unter Umständen ist solch ein „vermitteltes“ Bild auch noch mit bestimmten gesellschaftlichen und politischen Absichten verknüpft. Vor allem ist solch ein medialer Blick auf die Welt aber frei von jeglicher eigenen Erfahrung. Wirkliche Lebenserfahrung kann nur vor Ort stattfinden. Mit Menschen reden und Eindrücke bekommen, geht eben nur, wenn man raus geht. Und das ist auch mein Aufruf an die junge Generation: Macht das bitte – geht raus und reist. Ihr habt wirklich alle Möglichkeiten, die Welt zu entdecken! Raus gehen und unterwegs sein, das sind doch die wichtigsten Dinge, die man machen kann.

Wirkliche Lebenserfahrung kann nur vor Ort stattfinden. Mit Menschen reden und Eindrücke bekommen, geht eben nur, wenn man raus geht.

Gab es für Sie selber auch mal einen „Aha“-Moment, wo Sie selber etwas mitgenommen haben von den Studierenden?

Ja unbedingt. Der Austausch, das Zusammensein mit den Studierenden, mit der jüngeren Generation, ist wichtig. Manchmal auch ein bisschen „schmerzhaft“. Denn ich muss mich ja selbst hinterfragen – und manchmal eben auch „in Frage stellen“ lassen. Und: Durch die Jahre des Lehrens hat sich mein Blick geschärft. Das tut gut, besonders dann, wenn ich bereit bin, dies dann auch auf meine eigene Arbeit anzuwenden!

Weit weg von Brüssel. Hier: Meine Kinder? Die sind weder Deutsche noch Spanier, ich sage immer, die sind Europäer. Rudolf Holke, 84, San Sebastian / Donostia, Baskenland, Spanien.